Menschenversuche – historisch

Geköpfte unter Strom, Pestflöhe und Gasbrand

Der Mensch war wohl von je her interessiert an Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie, sowie Krankheiten und deren Ursache/n und Wirkung/en aufden menschlichen Organismus.
Die Historiker konten dabei aufzeigen, wie die Grenzen des ethisch vertretbaren Handelns immer wieder überschritten wurden. Die Fortschritte in der Medizin hatten ihren Preis – und ging in vielen Fällen mit der Degradierung des Menschen zum «Versuchsmaterial» einher.

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Wüste von Nevada

Dieser Film von Markus Fischötter wandelt auf bereits von Peter Kuran und anderen amerikanischen Dokumentarfilmern vertrauten Spuren:

dem US-Atomtestgelände in der Wüste von Nevada, das sich 100 Kilometer nordwestlich von Las Vegas befindet und so groß ist wie das Saarland. Dort machten die USA zwischen 1950 und 1992 jedes Frühjahr insgesamt über 900 Atomtests.

Im Arte-Film wird unter anderem Doug Woods interviewt, der 81jährig eigentlich Spielfilme machen wollte, bis er sich 1950 für die Atomtests interessierte und als Kameramann fast 300 über- und unterirdische Aufnahmen für Das geheime Hollywood-Filmstudio Lookout Mountain Observatory machte. Von 1947 bis 1969 arbeiteten hier 250 Produzenten, Regisseure und Kameramänner und machten 6500 Filme, einige davon Propaganda, die meisten jedoch militärintern und bis vor kurzem oder teils auch noch heute unter Geheimhaltung.

USA:
Hauptsache keine Strahlung in Las Vegas

Im „Frenchmen Flat“ wurde am 27. Januar 1951 nach dem Trinity-Test in New Mexico der erste oberirdische Atomtest auf dem Gelände der USA vorgenommen. Die Mitarbeiter lebten dabei lange Zeit in Zelten am Hang, wie Doug sich erinnert – eine gegen Fallout ziemlich ungeschützte Art der Unterkunft. Getestet wurde nur bei nach Osten blasendem Wind, um Las Vegas und Los Angeles vom Fallout zu verschonen. Dafür entstanden im gesamten Rest der USA „Hot Spots“ bis hinüber in den Staat New York.

Am schlimmsten erwischte es allerdings die Mormonenstadt St. George im Bundesstaat Utah. Claudia Petersen berichtet, wie sie mit 5 Jahren erstmals die Blitze und Atompilze sah und ihre Mitschüler Leukämie bekamen. Lange hoffte sie verschont zu bleiben, doch Mitte der 80er starben dann innerhalb eines Jahres ihr Schwiegervater, ihre Schwester und schließlich ihre sechsjährige Tochter qualvoll an Krebs. Ab 1988 bot der Staat Kompensationszahlungen an mit 50.000 Dollar Entschädigung pro Gestorbenem – für Claudia Petersen eine unverschämte Offerte, die sie ausschlug.

Doch den Soldaten ging es auch nicht besser, sie wurden nur 3 Kilometer von der Explosion entfernt stationiert, obwohl die Atomic Energy Commission 11 Kilometer Abstand vorschrieb, um sie gegen die Atomexplosionen abzuhärten und 45 Minuten bis eine Stunde nach der Explosion bereits in das Explosionszentrum geschickt 380.000 Soldaten mussten an den Tests teilnehmen, viele starben an Krebs.

Jonathan Parfrey von der Organisation „Ärzte für soziale Verantwortung“ in Los Angeles nennt

  • 11.000 Krebstote durch die Atomtests und
  • 100.000 bis 150.000 schwer erkrankte Personen, sowie
  • allein 120.000 Fälle von Schilddrüsenkrebs nur durch freigesetztes radioaktives Jod 131.
  • Auch 18 von insgesamt etwas 800 unterirdischen Tests blieben nicht unterirdisch und brachen an die Oberfläche durch.

Das US-Testgelände, in dem einst 15.000 Menschen lebten und arbeiteten, hat heute nur noch wenige Bewohner und ist nun für die Öffentlichkeit offen. Auch heute werden dort noch ABC-Versuche gemacht, allerdings keine Atomexplosionen mehr, sondern unter anderem unterkritische Pluttoniumtests mit Sprengstoff in 300 Meter Tiefe, um die vorhandenen Atombomben intakt zu halten. Bald soll allerdings wieder „richtig“ getestet werden – zur Entwicklung von „Mini-Nukes“ hat die Bush-Regierung grünes Licht für neue Atomtests in Nevada gegeben….

Quelle

Filme:
Doku German ARTE – Atombombenversuche Nevada 1950 – 1992

Doku (2017) – Atombomben über Nevada: Der Anfang vom Ende? – HD/HQ

Ground Zero Kasachstan

Dieser Film von Gerold Hofmann zeigt das bislang unbekannte Motiv: Das sowjetische Atombombentestgelände in Kasachstan, das von 1949 bis 1989 benutzt wurde. Es ist auch über 40 Jahre nach dem Ende der Tests in der Atmosphäre immer noch strahlend und wurde zum ersten Mal von einem westlichen Kamerateam besichtigt, wobei der kasachische Geheimdienst erst am Tag der Abreise aus Deutschland endgültig grünes Licht gab. Juri Borantschenko, der in Deutschland lebt und arbeitet – als Geologe an der Universität Halle – reiste mit: Aus eigener Neugier und weil er die Idee umsetzen will, das ehemalige Bombentestzentrum als touristisches Ziel anzubieten, so wie die Amerikaner „Trinity“, den Ort, an dem die erste Atombombe gezündet wurde. Sinnigerweise sind die Mini-Vans, mit denen Kamerateam und Besucher auf das Gelände gefahren werden, bereits passend mit „Adventure Tourism East Kasachstan“ beschriftet.

In der Nähe des sowjetischen Atomtestplatzes waren Semipalatinsk, 150 km entfernt und Kurchatov. Die letztere Stadt ist nach Igor Kurchatov benannt, dem Vater der ersten russischen Atombombe von 1949. Sie liegt am Ufer des Irtisch, der aus China kommt und nach Russland fließt – samt eventueller radioaktiver Fracht. Die Stadt ist noch nicht sehr lange überhaupt auf russischen Landkarten zu finden, denn sie war das Zentrum der UDSSR-Atomtests, wo die Beteiligten wohnten und arbeiteten und deshalb eine „verbotene Stadt“. Das Testgelände liegt am östlichen Ende der ehemaligen UDSSR, nahe der chinesischen Grenze. Es leben Bauern dort, die noch in den 80ern an der Strahlung starben.

Monsteridee: Kanalbau mit Atombomben

Das Bombentestgelände ist mit 19.000 km2 fast so groß wie Belgien und seit den 90er-Jahren offen für Wissenschaftler aus aller Welt. Von 1949 bis 1989 wurden hier insgesamt 461 Bomben gezündet, davon 113 über der Erde und 348 nach dem Stopp der atmosphärischen Bombentests 1963 unterirdisch in Stollen im Gebirge.
Ein solcher Stollen ist in der Region Balapan, wo der Boden noch plutoniumverseucht ist – man muss zwar keine Schutzanzüge mehr tragen, aber Schutzstiefel. Die Strahlung in der Luft beträgt dort heute noch 4 Mikrosievert in der Stunde – das bedeutet, eine Woche Aufenthalt dort entspricht von der radioaktiven Strahlung her einem Jahr Aufenthalt in Deutschland.

Im Januar 1965 wollte die UDSSR ähnlich dem US-Programm Plowshare Atombomben zivil nutzen, um mit entsprechend vielen nuklearen Explosionen Gletscher zu schmelzen, Kanäle zu sprengen und Flüsse umzuleiten.

Beim Test mit einer atomaren Sprengladung entstand ein weit größerer Krater als erwartet. Dieser füllte sich mit Wasser und befindet sich heute noch als hoch radioaktiver Atomsee im Testgelände.

Die hochgesprengte Erde wurde als fallout mit verschiedenen Winden in verschiedenen Höhen in zwei radioaktiven Wolken nach Semipalatinsk und in die Altai-Region nach Russland getragen.

Kameras und Messgeräte wurden in Messtürmen aus Beton 3 Kilometer von dem Epizentrum der Explosion untergebracht. Noch näher platzierter Beton schmolz in der Explosion, alle Türme und der Boden sind plutoniumverseucht. Auch die Tierversuche ähnelten denen der USA: Pferde, Schafe, Schweine und Hunde wurden auf dem Testgelände angebunden und dem Atomblitz ausgesetzt, allerdings wurden die russischen Schafe nicht vorher geschoren und starben nach der Explosion mit qualmendem Fell.

Die meisten russischen Versuchstiere waren jedoch zweibeinig: Wie Professor Boris Gusef berichtet, der zu Sowjetzeiten in der Strahlenklinik in Semipalatinsk arbeitete, waren die Testbedingungen geradezu darauf angelegt, die eigene Bevölkerung zu verstrahlen, um die möglichen Folgen des Atomkriegs am lebenden Objekt zu erforschen.

Im August 1953 wurde die erste Wasserstoffbombe in Kasachstan gezündet und dies vor dem kompletten Abtransport der nahe am Testgelände wohnenden Bevölkerung. Dieser Abtransport fand auf offenen Fahrzeugen statt, lediglich mit Decken als Schutz, und die Lager lagen ebenfalls unter offenem Himmel, ohne Schutz vor Wind, Wetter und Strahlung.

80 Prozent der Tests fanden bei Sturmwind mit Regen statt, so Gusef, und deshalb sei zu vermuten, dass dies Absicht war, ebenso wie die Tatsache, dass alle Explosionen im Herbst stattfanden, wenn der Weizen reif ist und geerntet wird. Gusef nennt dies ein „Präventives Kriegsszenario gegen die eigene Bevölkerung“: Jedes Wochenende um 9 Uhr gab es „Erdbeben“. Insgesamt waren 300.000 bis 400.000 betroffen und es gibt heute noch doppelt soviel Krebsfälle in Kasachstan wie anderswo in der ehemaligen Sowjetunion. Auch Herzprobleme sind im Dorf Mukur nahe Semipalatinsk deutlich erhöht.

Heute leben noch 10.000 Menschen in Kurchatov, damals waren es vier Mal so viele. Ein ehemaliger Luftwaffenstützpunkt 30 Kilometer vom Epizentrum der überirdischen Explosionen wird heute als Bauernhof verpachtet. Der Boden dort ist zwar nicht mehr gefährlich verseucht, doch bei jedem der häufigen Sandstürme besteht noch die Gefahr, mit dem herüberkommenden Sand auch Plutonium vom Testgelände einzuatmen oder zu schlucken.

Quelle

Der Film:
Gerold Hofmann, Atomtests in Kasachstan, UdSSR von 1949 bis 1989

Kasachstan

Anfang August 1953 kamen die Soldaten in unser Dorf. Ein Offizier sagte uns, alle Einwohner und das Vieh werden evakuiert, mit Ausnahme von 40 Personen, darunter auch ich. Wir mußten bleiben.“

Kinder mit zu vielen Fingern oder zu vielen Zehen, mit Darm- oder Nierenkrebs: Opfer sowjetischer Atombombenversuche. Dem ersten H-Bomben-Test 1953 wurden Menschen sogar bewußt ausgesetzt. Der dänische Journalist Thomas Heurlin gelangte kürzlich in unmittelbare Nähe des Versuchsgeländes.

Von Thomas Heurlin 01.01.1990

Das berichtet Tugai Rakjembjew, 59, der – linksseitig gelähmt – die letzten 30 Jahre meist im Bett verbracht hat: in einem primitiven Holzhaus des Dorfs Karaul, 100 Kilometer entfernt vom wichtigsten sowjetischen Wasserstoffbomben-Testgelände bei Semipalatinsk in Kasachstan, einer mittelasiatischen Sowjetrepublik.

Rakjembjew kennt inzwischen die Ursachen seiner Krankheit: Zwangsweise war er als Versuchskaninchen der Strahlung der ersten sowjetischen H-Bombe ausgesetzt worden. Er ist einer der wenigen Überlebenden.

„Wir wurden zurückgelassen, ohne im entferntesten zu ahnen, was passieren würde. Am nächsten Morgen sahen wir einen heftigen Blitz, der eine viel stärkere Leuchtkraft als die Sonne hatte. Der Horizont färbte sich rot, eine große dunkle pilzförmige Wolke war zu sehen. Wenig später wehte uns eine Staubwolke entgegen. Nach einer Stunde kamen die Soldaten zurück. Sie trugen Gasmasken und eine besondere Schutzkleidung. Sie * Oben: am 6. August 1989 mit Plakaten „Wir wollen leben“, „Testgelände“ (r.); sie erreichten einen Test-Stopp bis 31. Dezember 1989; unten: fotografiert von einem zur Ausbildung in die UdSSR abkommandierten Ungarn. Der Stabsoffizier erlitt später eine unbekannte Krankheit, derentwegen er sich 1966 das Leben nahm. befahlen uns, in Autos zu steigen, und fuhren mit uns davon“, erzählt Rakjembjew.

„Unsere Autos hielten vor einem Militärlager. Man rief unsere Namen auf und untersuchte uns mit einem Dosimeter. Schließlich befahlen sie uns, 200 Gramm Wodka zu trinken.“

Die 40 Dörfler blieben ahnungslos, die Soldaten brachten sie für 18 Tage auf eine Hunderte von Kilometern entfernte Sowchose, nach ihrer Rückkehr entnahmen ihnen Militärärzte Blutproben.

Zu den 40 Dorfbewohnern, die das Militär für den Atomversuch ausgewählt hatte, gehörte auch Talrat Selambekow, heute 64. Er erzählt, 1954 sei er zusammen mit 7 der 40 Testpersonen in die nächste Stadt, nach Semipalatinsk, gebracht und 45 Tage lang in einem geheimen medizinischen Institut beobachtet worden, das den Namen „Dispensarium Nummer 4“ trug:

„Der Leiter des Dispensariums erklärte, sie untersuchten uns zum Nutzen der Wissenschaft und zum Wohle der kommenden Generationen. Wir wagten nicht zu protestieren, die Dinge lagen damals eben anders. Unsere Frauen fürchteten sogar, man habe uns abgeholt, um uns zu erschießen. Sie schickten eine Delegation zum Parteikomitee und fragten nach, was mit uns geschehen sei.“

Nach den Angaben von Rakjembjew und Selambekow leben nur noch 7 der 40 Personen, die an den Versuchen teilnehmen mußten. Die meisten starben vor ihrem 50. Lebensjahr an Leukämie, Lymphdrüsen-, Haut- und anderen Krebsarten oder an verschiedenen Herzkrankheiten.

Rakjembjew bezieht eine Rente von 112 Rubel (weniger als 350 Mark) im Monat. „Ich sitze seit 30 Jahren in diesem Haus. Meine Existenz ist sinnlos, für meine Familie wie für die Allgemeinheit nur eine Belastung“, sagt er.

Sein Bericht ist nur eine der zahllosen menschlichen Tragödien unter den Einwohnern in der Umgebung der riesigen Atomtestanlage in Kasachstan. Furcht vor Repressalien und das isolierte Leben in der verlassenen Steppe haben die Dorfbewohner vier Jahrzehnte lang daran gehindert, über die Folgen von fast 500 Atomexplosionen in diesem Gebiet (161 davon über der Erde) öffentlich zu sprechen.

Ausländer haben zu der Region Semipalatinsk keinen Zugang. Visa werden nur in Sonderfällen erteilt. Seit dem Abkommen von 1963 mit den USA und Großbritannien über das Verbot von Atomtests in der Atmosphäre hat die Sowjetunion Atomversuche nur noch unter der Erde angestellt. Glasnost läßt jetzt die Dorfbewohner wagen, über ihre Qualen zu sprechen. Im Februar 1989 mußten die Behörden eine örtliche Bürgerbewegung gegen die Atomtests genehmigen.

Die meisten älteren Leute in den Dörfern haben ihre eigene tragische Geschichte über die Rauchpilze in den frühen Tagen der nuklearen Militärtechnologie zu erzählen. Jetzt sind die Behörden gezwungen, diese Berichte ernst zu nehmen. Auf einer wissenschaftlichen Konferenz in Semipalatinsk, an der jüngst medizinische Fachleute aus der gesamten Sowjetunion teilnahmen, wurden die Behauptungen der Dorfbewohner bestätigt, daß die Zahl der Krebserkrankungen hier höher liege als andernorts.

Die Konferenz verurteilte auch in scharfem Ton die heimliche Forschungstätigkeit des Dispensariums Nummer 4 und nannte dessen Tätigkeit eine „Verletzung der grundlegenden humanitären Prinzipien des Mitgefühls und der medizinischen Ethik“.

Während der ganzen 40 Jahre der Atomversuche im Gebiet von Semipalatinsk untersuchte das sowjetische Gesundheitsministerium regelmäßig und insgeheim eine besonders ausgewählte Gruppe von Anwohnern des Testgeländes. Manche blieben Monate im Dispensarium Nummer 4, das Lawrentij Berija gegründet hatte, Stalins berüchtigter Geheimpolizeichef (der über das gesamte Atomprogramm die Aufsicht führte; er wurde bald nach Stalins Tod hingerichtet). 1954 unterstellte man die Geheimklinik dem Gesundheitsministerium.

In dem Dorf Sarschal, nur 28 Kilometer von der Detonationsstelle der Atombomben entfernt, praktiziert seit 21 Jahren die Ärztin Nagias Zenbajewa. Sie erfuhr weder den Grund noch den Zweck dieser Untersuchungen:

„Ich kann lediglich bestätigen, daß die meisten der 243 Personen, die während der letzten Jahrzehnte im Dispensarium Nummer 4 untersucht wurden, inzwischen tot sind. Die meisten starben an Krebs, einige an Herzkrankheiten, und andere begingen Selbstmord.“

Auch die in Semipalatinsk tätigen Ärzte erregen sich über die Arbeit des Dispensariums: „Wir wissen, daß man jahrelang medizinische Untersuchungen an verstrahlten Personen vorgenommen hat, aber wir wissen nichts über die Ergebnisse“, sagt Marija Schangelowa.

Für sie als Humanmedizinerin sei es schwierig, Kollegen zu verurteilen, erklärt sie. „Aber diese medizinisch geschulten Doktoren untersuchen die Menschen nur, sie behandeln sie nicht. Geheime medizinische Statistiken und geschlossene medizinische Institutionen sind ein Verbrechen.“

Frau Schangelowa ist in dem Dorf Karaul geboren und aufgewachsen. Sie bestätigt, daß Rakjembjew und 39 weitere Versuchskaninchen während der Detonation der sowjetischen H-Bombe 1953 zurückgelassen wurden.

Die Zeugen leben noch, zum Beispiel das Mitglied der Kasachischen Akademie der Wissenschaften, S. B. Balmuchanow, stellvertretender Leiter des Instituts für Onkologie und Strahlungsforschung in Alma-Ata, der Hauptstadt der Kasachischen Sowjetrepublik. Man habe Leute in Karaul während der ersten Atombombenexplosion zum Bleiben gezwungen, erklärte er, und in dem Dorf Kainar sei es ebenso gewesen: „In Kainar mußten 16 Menschen zurückbleiben, während die restlichen Dorfbewohner für die Zeit des Atombombentests evakuiert wurden.“

Von 1953 bis 1958 erforschte er selbst die gesundheitlichen Folgen des Atomversuchsprogramms bei Semipalatinsk, im Auftrag der Kasachischen Akademie der Wissenschaften. Die Zentralbehörden in Moskau ließen das Forschungsprogramm einstellen. Die ersten Ergebnisse waren strittig. Balmuchanows Forschungsmaterial wurde beschlagnahmt und als Staatsgeheimnis eingestuft.

Heute sind viele Ärzte im Gebiet von Semipalatinsk bereit, offen über die Folgen der Versuche zu sprechen. Mediziner eines Kinderkrankenhauses sagten aus, sie behandelten ungewöhnlich viele Patienten, die unter Schäden von Geburt an leiden.

„Vor drei Tagen wurde ein neugeborenes Kind mit Nierenkrebs eingeliefert. Kürzlich kamen zwei Kinder aus der Gegend am Testgelände zu uns, beide mit Darmkrebs, nur eines überlebte. Wir hatten keine andere Wahl als die Operation“, berichtet ein Arzt. Als Ursache der großen Zahl von pränatalen Schäden am Ort nennt er die Atomversuche:

„Ich habe elf Jahre praktische Erfahrungen als Mediziner. Sieben Jahre lang arbeitete ich in einem anderen Teil von Kasachstan, dort gab es angeborene Defekte selten, aber hier sehen wir sehr viele. Herzschäden und mißgestaltete Gliedmaßen sind weit verbreitet. Oft haben Kinder zu viele Finger oder Zehen. Kein Zweifel, daß die Strahlung dabei eine wesentliche Rolle spielt.“

In den letzten Monaten richtete sich heftige Kritik gegen das Gesundheitsministerium, es halte Informationen über die Katastrophe von Tschernobyl aus dem Jahre 1986 zurück. Da überrascht es niemanden, daß sich das Ministerium trotz zahlreicher Anfragen bislang weigert, über seine geheimen Forschungen an Strahlenopfern im Gebiet von Semipalatinsk Auskunft zu geben.

Der Chefarzt des Dispensariums Nummer 4 namens Gussew lehnte ein Interview ab. Generalleutnant Iljenko, der verantwortliche Offizier auf dem Testgelände, dementierte ärgerlich, daß Zivilisten während der Atomtests in den frühen fünfziger Jahren zurückgelassen worden seien: „Das sind Behauptungen von Extremisten und Provokateuren. Von Anfang an wurde alles getan, um die örtliche Bevölkerung zu schützen.“ Nur Tiere seien zu solchen Experimenten benutzt worden.

Aber die Regierungszeitung Iswestija enthüllte im Oktober, während einer militärischen Übung im Südural sei 1954 absichtlich eine Atombombe gezündet worden. Todesfälle, langfristige Krankheiten seien in Kauf genommen worden – diese Versuchskaninchen waren Soldaten.

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13496519.html

Menschen-Tests

Egal in welcher Form – Menschen oder Tiere als Versuchslebewesen zu verwenden, um die Auswirkungen der atomaren Strahlung zu erforschen ist unethisch und verwerflich.

EInerseits wurden ober- als auch unterirdisch Atombomben gezündet, um die Auswirkungen zu erforschen.
Andererseits aber auch bewußt Menschen der atomaren Strahlung ausgesetzt, um die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der atomaren Bestarhlung zu erforsche.

Bekannt ist ja mittlerweile hinlänglich, daß Atombombentests in den USA gemacht wurden und dann kurze Zeit darauf Dreharbeiten für Western in diesem Gebiet stattfanden. Hierdurch wuden dann die Schauspieler (wie John Wayne) der Bestrahlung ausgesetzt, was auch zu entsprechenden Krebserkrankungen mit Toesfolge führte.
Weltweit wurden knapp 2100 Kernwaffentests durchgeführt, ein Teil davon oberirdisch in der Atmosphäre. Es wird angenommen, dass die bei diesen Tests freigesetzte Radioaktivität weltweit ca. 300.000 Todesfälle zur Folge hatte. (Quelle).
Zwar wurden aus Sicherheitsgründen (Gefahr durch die Druckwelle und insbesondere durch den radioaktiven Niederschlag (Fallout)) durch Kernwaffentests in weiträumig abgesperrten militärischen Versuchsarealen, wie der Nevada Test Site (NTS) in Nevada (über 1000 Tests) durchgeführt. Auch wurden verschiedene abgelegene Inseln oder Atolle sowie unbesiedelte Wüstengebiete für Testzwecke benutzt, jedoch ging der radioaktive Niederschlag („Fallout“) nicht nur auf die Testgebiete nieder, sondern verteilte sich weltweit: die Kernwaffentests des 20. Jahrhunderts haben die Strahlenexposition weltweit messbar erhöht, in den heutigen Messdaten sind sogar viele einzelne Tests nachvollziehbar.

Zudem gab es zahlreiche Tests in besiedeltem Gebiet (Quelle):

  • 1960/61 führte Frankreich in besiedeltem Gebiet, in der algerischen Sahara nahe Reggane, vier oberirdische Atomwaffentests durch. Bis zu 30.000 Menschen erlitten dadurch in der Folgezeit Schäden.[4][5][6]

„Das Geheimnis der Atombombenversuche“, zweiteilige Dokumentation mit Erstausstrahlung auf Arte TV, produziert von Arte und dem mitteldeutschen Rundfunk

  1. Gerold Hofmann, Atomtests in Kasachstan, UdSSR von 1949 bis 1989, ausgestrahlt: Montag 5. Juli 2004, 19.00 bis 19.45 Uhr
  2. Marcus Fischötter, Atomtests in Nevada, USA von 1950 bis 1992, ausgestrahlt: Dienstag 6. Juli 2004, 19.00 bis 19.45 Uhr

ebenfalls passend zum Thema:
Doku (2017) – Atombomben über Nevada: Der Anfang vom Ende? – HD/HQ