Menschenversuche – historisch

Geköpfte unter Strom, Pestflöhe und Gasbrand

Der Mensch war wohl von je her interessiert an Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie, sowie Krankheiten und deren Ursache/n und Wirkung/en aufden menschlichen Organismus.
Die Historiker konten dabei aufzeigen, wie die Grenzen des ethisch vertretbaren Handelns immer wieder überschritten wurden. Die Fortschritte in der Medizin hatten ihren Preis – und ging in vielen Fällen mit der Degradierung des Menschen zum «Versuchsmaterial» einher.

So wurde bereits unter Alexander dem Grossen im Jahre 331 v. Chr. die Stadt Alexandria gegründet, die das Zentrum des hellenistisch regierten Ptolemäerreichs wurde. Gerade 50 Jahre später, um 280 v. Chr. wirkten dort zwei griechische Ärzte; Herophilus und Erasistratus, welche die ersten uns bekannten Versuche an Menschen durchgeführt haben – gefördert durch den ägyptischen Königshof.

Den Griechen war Sezieren nur an Tieren erlaubt, im Ptolemäerreich sah das anders aus. Die Quellen berichten auch von Vivisektionen; An zum Tode verurteilten Verbrechern wurde die Zergliederung des Körpers am lebenden Menschen durchgeführt.

Nur so konnten sie ihre bahnbrechenden Entdeckungen machen, heisst es in den Quellen. Denn Herophilus und Erasistratus unterschieden bereits Arterien und Venen und waren nah dran, den Blutkreislauf zu entdecken. Endgültig gelang dies allerdings erst viele Jahrhunderte später durch den englischen Anatomen William Harvey im Jahre 1628.

So gelangte Herophilus zu der Erkenntnis, dass das Gehirn das kontrollierende Organ sei, von dem alle körperlichen Handlungen ausgehen. Er widersprach damit der gängigen Lehre Aristoteles‘, die das Herz als den Sitz der wahrnehmenden Seele ausmachte.

Quelle: watson.ch

Da im christlichen Abendland sogar die Leichenöffnung als Frevel galt wurde es durch das Konzil von Tours 1163 verboten. Überhaupt bestand das «experimentum» für den mittelalterlichen Gelehrten nicht in einem Versuch, sondern vielmehr in der Erfahrung, die er sich vor allem durch das Lesen der antiken Schriften aneignete. Die Scholastiker in den frühen Universitäten experimentierten nicht, sie disputierten. Erkenntnis wurde also (mit einigen Ausnahmen) vor allem passiv gewonnen. 

Erst an der Schwelle zur Neuzeit begannen verschiedene humanistische Ärzte an der Lehrmeinung der «antiken Autoritäten» zu zweifeln und überprüften durch eigene Wahrnehmung – der «Aut-opsie» – die vorliegenden Befunde. 

Ein frühes Beispiel für die Untersuchung der Wirkung von Giften und Gegengiften am Menschen findet sich im «Kräuterbuch» des italienischen Arztes und Botanikers Pietro Andrea Mattioli. «Ihr hochfürstlich Durchleucht Erzherzog Ferdinand», Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, habe 1561 in Prag, so schreibt Mattioli, die entgiftenden Fähigkeiten seines «berühmten Pulvers» an einem «zum todt verurtheilten Übelthäter» testen wollen. Dafür verabreichte man dem Sträfling «Arsen oder weisses Rattenpulver»: 
Der Kaiser selbst habe ihm daraufhin etwas von seinem Pulver gegeben, woraufhin dieser das Gift herausgewürgt habe – «und von der verdienten Leibsstraff befreyet» wurde. Der zweite Todeskandidat hatte weniger Glück. Er bekam «das ärgste Gift» – zu Pulver zerstampften Eisenhut, gegen den das majestätische Pulver machtlos war.

Mit der Geburt Francis Bacon in London begann die Epoche der modernen Wissenschaft: Die Erforschung der Natur wurde empirisch vorangetrieben – und wo die menschliche Sinneswahrnehmung nicht reichte, wurde sie mit Experimenten und guten Instrumenten ergänzt.
Dies führte endlich zum Bruch mit humoralpathologischen Körperbildern – die auf der antiken Vier-Säftelehre gründeten – als auch mit religiösen Unantastbarkeitsgeboten, um erkenntnisgewinnende Versuche am menschlichen Körper vornehmen zu können.

Übernommen von watson

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